Ich habe mir früher nicht viele Gedanken darum gemacht, dass ich ein Mädchen war. Wie die meisten Menschen habe ich einfach das, was ich kannte, als normal empfunden. Als ich jung war, wurden Kinder allgemein nicht dazu erzogen, Dinge zu hinterfragen. Also hielt ich es für normal, dass beide Elternteile arbeiten und Geld dabei verdienen. Oder dass Männer Aufgaben im Haushalt übernehmen. „Normal“ war eben das, was ich kannte. Dass es einen „Weltfrauentag“ gab, lag außerhalb meines Horizonts. Und seinen Sinn hätte ich damals wahrscheinlich nicht verstanden.

Das veränderte sich mit den Erfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens sammelte. Der Wechsel auf das Gymnasium nach dem Realschulabschluss war ein erster großer Schritt. Einige Menschen, die ich dort kennen lernte, haben mein weiteres Leben entscheidend beeinflusst. Dafür bin ich immer noch sehr dankbar. Doch Freundeskreise, Beziehungen und Kolleginnen und Kollegen hielten auch Lektionen für mich bereit. Manchmal sind die Weltbilder von Menschen so unterschiedlich, dass es im besten Fall fassungsloses Staunen auslöst…

 

Meine Erfahrungen als Frau

Die interessantesten Erfahrungen im Berufsleben habe ich mit Kunden gemacht, als ich noch in einem großen Unternehmen arbeitete. Es kam tatsächlich öfter vor, dass Menschen sich nicht mit meinen Aussagen (oder denen meiner Kolleginnen) abfinden wollten. Wir haben dann nicht lange gefackelt und zu einem männlichen Kollegen durchgestellt. Dieser hat unsere Aussagen dann wiederholt – und der Kunde konnte es annehmen. Interessanterweise wurde auch immer nur „der Vorgesetzte“ verlangt, wenn sich Kunden einmal geärgert haben. Damals habe ich mich fürchterlich darüber aufgeregt. Heute finde ich es einfach nur bemerkenswert.

Auch Beziehungen können ein großes Feld für Erfahrungen sein: Du selbst setzt vielleicht voraus, dass Dein Partner kocht, putzt, wäscht etc. Und womöglich siehst Du es als so selbstverständlich an, dass Du nicht mal darüber redest. Weil es so alltäglich für Dich ist wie Zähneputzen. Das wird ja in der Regel auch vorausgesetzt und nicht vorher „abgeklopft“… 😉 Wenn Dein Partner jedoch damit aufgewachsen ist, diese Dinge für „Frauensache“ zu halten – dann kann es sein, dass auch er sein Verhalten für so normal hält, dass er gar nicht auf die Idee kommt, ein Wort darüber zu verlieren. Da prallen Welten aufeinander.

Beim Bau meines Hauses durfte ich erleben, wie unterschiedlich die Reaktionen auf mich waren. Küchenkauf und Fliesen aussuchen verliefen reibungslos – das gehört wohl oft in den „Frauenbereich“. Mit dem Tischler, der für die Innentüren und die Treppe zuständig war, bin ich allerdings das ein oder andere Mal ordentlich aneinandergeraten. Er ließ deutlich durchblicken, dass er mich nicht für eine ebenbürtige Geschäftspartnerin hielt. Und auch beim Richtfest „ruckelte“ es ein wenig, denn „der Bauherr“ war schlicht nicht vorhanden. „Mann“ musste also mit mir als Bauherrin vorliebnehmen…

Das ist nur eine kleine Auswahl meiner Erfahrungen als Frau. Auf saublöde Sprüche, „Witze“ und Gewalterfahrungen möchte ich hier nicht eingehen.

 

Wozu brauchen wir also noch einen Weltfrauentag?

Was ich damit zeigen will: Es kann sein, dass Du in einem Umfeld aufgewachsen bist und lebst, das Dich denken lässt: „Alles gut. Sowas wie ein Weltfrauentag ist total überflüssig.“ In der Tat hat sich in den letzten gut 100 Jahren eine Menge bewegt in Sachen Gleichberechtigung. Wir Frauen in Deutschland dürfen wählen und gewählt werden, eigenes Geld verdienen, Auto fahren, ein Konto eröffnen und bei einer Heirat unseren eigenen Namen behalten.

Sogar die Vergewaltigung in der Ehe ist inzwischen strafbar. Allerdings erst seit dem 1.7.1997 – seit gut zwanzig Jahren! Und von den 643 an der Abstimmung beteiligten Menschen haben sich 35 enthalten und 138 dagegen gestimmt. Da sind wir wieder beim Punkt mit den völlig verschiedenen Weltbildern…. Ich kann nicht begreifen, dass 173 Menschen damals offenbar der Meinung waren, Vergewaltigung in der Ehe sei in irgendeiner Weise in Ordnung! Mach Dir klar, dass diese Menschen wahrscheinlich noch mitten unter uns leben. Dass auch sie aus einem Umfeld kommen, das sie geprägt hat. Und dass sie diese Einstellung vielleicht weitergegeben haben. Es gibt also noch genug zu tun. Und dieses Beispiel betrifft nur Deutschland. Schau Dich in der Welt um, dann wirst Du noch weitere Ansatzpunkte finden.

Rosen zum Weltfrauentag?

Worum geht es beim Weltfrauentag?

Ursprünglich war das Hauptziel das Wahlrecht für Frauen. Selbst das ist noch immer nicht überall auf der Welt erreicht… Inzwischen geht es jedoch auch um das Recht auf Bildung, auf körperliche und seelische Unversehrtheit, auf gleiche Bezahlung. Aktionen zum Internationalen Frauentag sind außerdem auch oft Veranstaltungen für den Frieden.

Oft werden Frauen an diesem Tag mit Blumen beschenkt. In den Anfangszeiten waren es Nelken, heutzutage meistens Rosen. Gerne sind es Männer, die diese Blumen verteilen. Und ich kann nachvollziehen, dass das von einigen Frauen als herablassende Geste empfunden wird. Welche Frau möchte schon von ihrem Arbeitgeber mit einer Rose abgespeist werden, während an den restlichen Tagen des Jahres im Raum steht, dass die Bezahlung einfach nicht angemessen ist?

Ich glaube, das wahre Thema ist Macht. Wenn ich lese, wie allerorten die Macht von Frauen eingeschränkt wurde und wird, erfasst mich ein wildes Gemisch aus Resignation, Wut, Trotz und ungläubigem Lachen. Optimismus ist allerdings auch dabei, denn ich sehe, dass die Veränderung unaufhaltsam in Gang ist. Und der Weltfrauentag hilft dabei, immer wieder öffentlich das Augenmerk auf die Situation zu richten.

 

Neue Gedanken und neue Vorbilder

Aussagen und Haltungen, die Frauen in einer wenig machtvollen Rolle festzementieren sollen, werden oft mit der „natürlichen Bestimmung“ der Frau „begründet“. Was für ein Mist! Wenn wir danach gehen, müssten wir auch die Autos abschaffen, denn die natürliche Bestimmung der Menschheit ist es bestimmt nicht, in Blechkisten durch die Gegend zu rollen.

Es ist also an der Zeit für neue Gedanken. Einen neuen Blick auf das Wort „Erfolg“ hat Sabine Krink in ihrem Video „weibliches Erfolgsdenken“ eröffnet. Da stecken wundervolle Gedanken drin, und ich lege Dir sehr ans Herz, es anzuschauen. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, und die Zeit-Investition lohnt sich! (Der Link führt auf ihre Facebook-Seite, sie ist öffentlich. Du kannst das Video also auch sehen, wenn Du keinen Facebook-Account hast.)

Was wir noch brauchen, sind meiner Meinung nach neue weibliche Vorbilder. Ja, es gibt mittlerweile mehr Frauen in der Politik. Wir hier in Schleswig-Holstein haben damit Geschichte geschrieben: Heide Simonis wurde 1993 zur ersten Ministerpräsidentin eines Bundeslandes in Deutschland gewählt. Angela Merkel ist seit 14 Jahren deutsche Bundeskanzlerin. Beide sind wieder einen weiteren Schritt für uns Frauen gegangen. Doch auch hier wünsche ich mir Neues. Dass Frauen nur erfolgreich sein können, wenn sie sich wie Männer verhalten, sollte inzwischen überholt sein. In diesem Beitrag zum Weltfrauentag 2018 kannst Du über 20 Frauen mit ihren ganz unterschiedlichen Erfolgswegen lesen. Vielleicht sind dort Vorbilder für Dich dabei?

Verschenke selbst Blumen zum Weltfrauentag

Wie kann ich als Frau etwas bewirken?

Ganz einfach: Trau Dich, neue Gedanken zuzulassen. Deine Perspektive zu verändern. Den Horizont der Möglichkeiten zu erweitern. Sei nicht so schrecklich selbstkritisch, sondern besinne Dich auf Deine Stärken. Falls Dir das schwerfällt, wie wäre es dann mal mit einem Bad in der Wertschätzungswelle?

Suche Dir weibliche Vorbilder – es gibt sie! Frauen, die unbeirrt ihren eigenen Weg gehen, ihre Spiritualität ausdrücken und „echt“ sind. Die ganz bewusst vorangehen, andere Frauen stärken und die Welt zu einem friedlicheren, freundlicheren Ort machen. Neben der oben bereits erwähnten Super Sabine und vielen anderen Frauen in meinem Umfeld gehören für mich z.B. auch Uta Nimsgarn (für ein neues Geldbewusstsein) und Carolin Otzelberger (Die Möglichkeitsmacherin) dazu. Wenn Du erst einmal anfängst, den Fokus darauf zu richten, werden Dir immer mehr von ihnen auffallen.

Sei selbst ein Vorbild! Unterstütze andere Frauen, statt auf ihnen herumzuhacken. Zickenkrieg ist sowas von gestern… Angelehnt an das berühmte Gandhi-Zitat schlage ich vor: „Sei selbst eine der Frauen, von denen Du Dir mehr in der Welt wünschst.“ Suche nicht nach den Schwächen bei anderen Frauen, sondern nach den Schätzen. Hör auf, sie nach ihrem Aussehen zu beurteilen. (Und Dich selbst übrigens auch.) Verschenke also selbst (symbolisch oder ganz handfest) Rosen zum Weltfrauentag oder zu jeder anderen Gelegenheit.

Kenne Deinen Wert und Deine Werte – und fang an, danach zu leben. Du musst das nicht perfekt machen! Wichtig ist, dass Du überhaupt anfängst. Alice Schwarzer, eine der bekanntesten Vertreterinnen der Frauenbewegung in Deutschland, hat auch ihre Ecken und Kanten. Sie hat sich nicht nur Freundinnen gemacht. Und ich finde auch nicht alles großartig, was sie jemals gesagt, geschrieben oder getan hat. (Daran sollte wohl kein Mensch gemessen werden – wer ist denn schon perfekt?) Dennoch bin ich unheimlich froh über ihre Arbeit. Sie hat getan, was sie für nötig hielt und immer wieder die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Sie bekennt sich zu dem, was ihr wichtig ist, und traut sich, Fehler zu machen.

Also fang an, es gibt noch viel zu tun auf dem Weg in eine friedliche, freie Welt voller wacher, kraftvoller Menschen! Und wenn wir wirklich irgendwann so weit sind, den Internationalen Frauentag getrost abschaffen zu können, wandeln wir ihn um in einen Welt-freuen-Tag – das wird ein Fest!