Rituale zum Jahresende: Magische Besinnlichkeit oder Stressfaktoren?

Das Jahresende: Gerne wird diese Zeit mit Besinnlichkeit, Stille, Rückzug und Vorfreude verbunden – zumindest in der gedanklichen Idealvorstellung. Dabei sieht es in Wirklichkeit oft ganz anders aus. Der fast schon obligatorische Weihnachtsstress löst gleichzeitig eine Sehnsucht nach Ruhe aus. „Neue“, andere Rituale, wie zum Beispiel das Zelebrieren der Rauhnächte, sollen dabei helfen, sie zu finden. Und werden dabei allzu oft selbst zur Quelle eines ganz neuen Drucks.

Als ob die Adventszeit nicht schon vollgepfropft genug wäre mit Weihnachtsfeiern, Adventskaffees, dem Aufstellen und Abarbeiten von Geschenke-, Einkaufs-, Besuchs- und Essenslisten, kommen inzwischen auf dem „spirituellen Sektor“ noch diverse Gebräuche und Rituale dazu, die beim Loslassen, Manifestieren und „richtig Leben“ unterstützen sollen. Losnächte, Sperrnächte, Väntleuchter mit Runen, Rauhnächte  – wenn Du all das mitmachen möchtest, hast Du einen Vollzeitjob.

Rituale über Rituale im Dezember

Ich bleibe jetzt einfach mal bei den Rauhnächten, weil diese in den letzten zehn Jahren ja einen regelrechten Boom erlebt haben. Als ich zum ersten Mal davon erfuhr ( das ist noch viel länger her), gab es noch nicht viele Informationen über das Thema und ich habe lange recherchiert, was es damit auf sich hat. Heutzutage findest Du eine regelrechte Flut an Büchern, Kartensets, Workbooks. Außerdem hunderte (wenn das mal ausreicht…) Kurse und Angebote dazu von kostenlos bis Premiumpreis und natürlich riesige Mengen an Zubehör (Kerzen, Räucher-Zubehör, Räucher-Mischungen und „Schnickschnack“).

All diese Informationen machen es nicht unbedingt leichter. Genau genommen herrscht nicht einmal Einigkeit darüber, wann genau die Rauhnächte denn nun beginnen. Ist es der 21.12.? Heiligabend? Oder vielleicht doch eher die Nacht vom 25. auf den 26. Dezember? Du kannst wilde Diskussionen darüber finden… Selbst bei der Schreibweise gibt es unterschiedliche Auffassungen: Rauhnächte oder Raunächte? Mir ist die Schreibweise mit dem H sympathischer, darum nutze ich sie.

Kaum hast Du Dich für einen Starttermin entschieden, geht es weiter: Räuchern, Karten ziehen, Meditieren, Wünsche aufschreiben und verbrennen, Aufenthalte in der Natur, Traumtagebücher führen, die Gedanken und Begebenheiten eines jeden Tages aufschreiben. Alleine schon diese Aufzählung kann ein Engegefühl verursachen, denn schließlich gilt es ja auch noch den Alltag zu bewältigen, Termine einzuhalten, vielleicht mit lieben Menschen eine schöne Zeit zu verbringen. Fühlt sich so Freiheit an?

Die Sache mit der Perfektion

Durch die „Beschallung“ mit all den Informationen zum Thema Rauhnächte fühlen sich nicht wenige Menschen auf eine Weise dazu hingezogen. Kann ich gut verstehen, ich mag auch spirituelle Dinge und beschäftige mich gerne damit. Leider bringt die Fülle an Informationen auch eine Fülle an vermeintlichen Vorschriften und Regeln mit sich. Genau das ist der Punkt, an dem die Freude zum Stress mutiert.

Es geht auf einmal darum, „alles richtig zu machen“. Habe ich den richtigen Startzeitpunkt gewählt? Was, wenn es doch der Falsche ist? Hilfe, mir fallen keine 13 Wünsche ein! Oder: Habe ich die Wünsche auch wirklich richtig formuliert? Da gibt es ja immerhin auch strenge Regeln, damit es auch ja klappt mit dem Manifestieren… So ein Mist, ich müsste eigentlich Wäsche waschen, aber die darf ich ja in dieser Zeit gar nicht aufhängen. Auf einmal fühlt sich jeder Tag in dieser Zeit wie eine Art Prüfung an, immer verbunden mit der Angst, etwas falsch zu machen. Das könnte dann ja statt der erhofften Wunscherfüllung womöglich noch Pech bringen. Puuuhhh… Lass uns mal tief durchatmen und ein bisschen Entspannung reinbringen. (Und all die anderen Begriffe wie Sperrnächte, Losnächte etc. für weitere Rituale am Jahresende vergessen wir vorerst.)

Zu den Ritualen am Jahresende gehört oft das Führen eines Rauhnächte Tagebuchs
Das Verbrennen von Wünschen ist ein oft zelebriertes Ritual am Jahresende in den Rauhnächten

Spiritualität sollte Freude bringen, keinen Stress – auch am Jahresende

Die große Frage ist doch: Ist DAS wirklich der Sinn von Spiritualität? Alle nur erdenklichen Regeln und Vorschriften befolgen (bei denen ehrlich gesagt oft nicht sicher ist, wer sie wo ausgegraben, gelesen, gehört oder schlicht selbst erfunden hat)? Und warum? Welche Sehnsucht steht bei Dir hinter dem Wunsch, diese Rituale durchzuführen? Welche Angst liegt dem zugrunde? (Es muss nicht immer eine Angst damit verbunden sein, aber oft ist es der Fall.) 

Rituale, Traditionen sollen uns Halt geben, das Leben leichter machen, Freude schenken. Wenn das nicht der Fall ist, wenn sie eher Angst, Stress, Unwohlsein auslösen, sind sie überholt und können weg. Ja, ich sehe es tatsächlich so: Spiritualität bedeutet Freiheit und Erfüllung. Du spürst, was sich für Dich richtig anfühlt, Dir und der Welt gut tut, Heilung in die Welt bringt. Achtsamkeit, Bewusstheit, Frieden und Liebe sind die Schlüsselbegriffe. Du trägst freiwillig, von Herzen und aus Dir heraus dazu bei, dass die Welt ein noch schönerer Ort wird und bleibt.

Es geht nicht in erster Linie darum, für Dich irgendwelche tollen Dinge zu manifestieren. Angst zu haben, etwas zu verpassen (irgendeine astrologische Konstellation, die gerade besonders günstig ist, irgendwelche „Zaubertage“, an denen etwas besonders gut gelingt, spezielle Rituale zu besonderen Jahreszeiten, weil „nur dann“ xy möglich ist usw. usf.) – vielleicht magst Du die Vorstellung zulassen, dass das Leben für Dich ist? Und nur um hier keine anderweitigen Vorstellungen aufkommen zu lassen: Ich beobachte auch die Transite. Ich schaue aus Sicht des Human Design Systems darauf, nehme wahr, welche Energien gerade wirken und wie sie mich und die Menschheit allgemein beeinflussen. Aber ich hetze nicht herum, um genau dann unbedingt wasauchimmer zu erreichen. Gute Gelegenheiten kommen immer wieder, ehrlich.

Wege zur Leichtigkeit: Rituale am Jahresende

Wir halten fest: Wenn Du beim Gedanken an ein Ritual, eine Regel einen Brauch eher Stress, Enge statt Freiheit und Freude spürst, ist es an der Zeit, kurz innezuhalten. Hier gilt wirklich: Weniger ist mehr. Frage Dich, ob Di wirklich noch mehr Dinge auf Deiner To-Do-Liste brauchst. Wie kannst Du also den Druck rausnehmen und die Rauhnächte (und natürlich jede andere spirituelle Praxis) mit Freude und Leichtigkeit genießen?

  1. Mach es zu Deinem eigenen Ritual
    Du brauchst definitiv nicht jeden Punkt aus all den Büchern, Kursen und Anleitungen umzusetzen. Erschaffe vielmehr Deine eigenen Rituale. Mach das, was Du umsetzen kannst und möchtest und genieße es. Das kann auch eine einfache Tasse Tee sein oder ein kleiner Spaziergang, bei dem Du den Kopf frei bekommst. Oder erfinde etwas, das sich für Dich stimmig anfühlt.
  2. Nimm den Druck raus
    Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ in der Spiritualität. Wenn Du den Impuls hast zu räuchern, dann mache es. Sonst nicht. Als spirituell ausgerichtete Menschen denken wir doch in „Energien und Frequenzen“ und wissen: Der Sinn liegt nicht in der Perfektion, sondern in der Intention. Eine Kerze anzuzünden, ist so einfach, geht schnell und kann so viel mehr bedeuten.
  3. Fokussiere Dich auf die Essenz
    Was symbolisiert dieser Brauch? Wofür steht er, was ist die Absicht dahinter? Bei den Rauhnächten geht es um Übergänge. Das Alte wird losgelassen, das Neue begrüßt und empfangen. Solche Übergänge sind in der Regel immer fließend, Es kommt also gar nicht auf einen genauen Zeitpunkt an, sondern spielt sich in einem größeren Zeitrahmen ab. Konzentriere Dich auf das Wesentliche. Ein kurzer, intensiv erlebter Moment der Dankbarkeit kann genauso kraftvoll sein wie ein aufwendig zelebriertes Ritual. 
  4. Sei sanft zu Dir
    Mach Dir bewusst, dass am Ende des Jahres auch die Kraftvorräte begutachtet werden können. Wie viel Energie steht Dir gerade zur Verfügung? Wofür möchtest Du sie einsetzen? Auch die Natur ist noch im Ruhezustand. Vielleicht magst Du Dir ein Beispiel daran nehmen und auch noch ein paar Wochen ruhen? Manchmal ist es genug, einfach nur zu sein.
  5. Teile die Freude
    Spiritualität muss nicht unbedingt privat und still sein. Vielleicht hast Du Lust, diese Zeit mit lieben Menschen zu teilen? Ein gemeinsamer Spaziergang, ein entspanntes Essen, Orakelkarten ziehen, Geschichten und Ideen austauschen, einfach nur im Hier und Jetzt eine schöne Zeit miteinander verbringen. All das kann zutiefst spirituell sein und intensiven Austausch mit Tiefe und Freude mit sich bringen. 
Auch Entspannung in der Natur kann ein schönes Ritual zum Ende des Jahres sein
Freude über das Glücksglas: Ein schönes Ritual am Jahresende

Einfach SEIN: Das wahre Geschenk

Eines der größten Geschenke, das Du Dir selbst (und anderen) machen kannst, ist Zeit. Zeit für Dich, Zeit zum Durchatmen und zur Ruhe Kommen, Zeit zum SEIN. Die Rauhnächte (und übrigens auch jede andere spirituelle Praxis) sind meiner Meinung nach dafür da, Dich mit Dir selbst zu verbinden. Dich daran zu erinnern, dass das Leben an sich grundsätzlich schön ist.

Egal wie Du das Ritual umsetzt, sei Dir einfach Deiner inneren Haltung, Deiner Absicht bewusst. Wenn Du eine Kerze anzündest, dann mach es nicht, weil irgendeine Anleitung es Dir vorgibt. Zünde sie an, um Dich an ihrem Anblick zu erfreuen. An der Wärme und Ruhe, die sie ausstrahlt. An dem, was sie für Dich symbolisiert. Wenn Du räucherst, dann bitte nicht aus einer Art Pflichtgefühl! (Wir tun doch alle ohnehin viel zu viel aus – oft falsch verstandenem – Pflichtgefühl.) Sondern weil Du in Dir den Wunsch verspürst nach gerade diesem Duft, diesem Handeln. Wenn Du Wünsche formulierst, dann sauge Dir nicht krampfhaft irgendetwas aus den Fingern, sondern lass sie aus Deinem Herzen aufsteigen. DANN ist es auch die „richtige“ Formulierung – ohne grammatikalische Vorschriften.

Letztlich geht es nicht darum, alle (vermeintlichen) Regeln einzuhalten und jedes Ritual makellos auszuführen. Es geht doch darum, wieder die Verbindung zu Dir selbst zu finden. Dir selbst auf die Spur zu kommen, Dein Licht leuchten zu lassen. Dafür brauchst Du keine Vorschriften. Nimm all die Möglichkeiten als Anregungen, Vorschläge. Such Dir aus, was zu Dir passt und sich gut anfühlt. Kreiere Deine eigenen Rituale. Spiritualität ist nicht dogmatisch gedacht. (Sonst wären wir ja wieder bei Religionen.) Sie soll Dein Leben schöner, freier, leichter machen.

Vielleicht kannst Du die Rauhnächte und alle anderen Jahresendroutinen als eine Einladung verstehen. Einladungen sind keine Verpflichtungen. Du kannst sie ausschlagen. Lass Dich inspirieren, ohne Dich dabei einengen zu lassen. Zelebriere und erschaffe Rituale, die Dir Freude bereiten. Zum Beispiel das Leeren Deines Glücksglases und das Schwelgen in schönen Erinnerungen. Erinnere Dich immer wieder daran, dass Spiritualität ein Weg zu Dir selbst und zur Freude ist.

Wie machst Du Dir das Jahresende schön und stressfrei? Hinterlasse gerne einen Kommentar und erzähle von Deinen Routinen und Traditionen. Bist Du noch zufrieden mit ihnen? Was hättest Du gerne anders? Welche neuen Traditionen möchtest Du gerne einführen? Welche Tipps hast Du für einen friedlichen, entspannten Jahresabschluss? Ich freue mich, von Dir zu lesen.