Auf meiner Website schreibe ich viel über das Lachen. Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden und für mich eine Wohltat. Dennoch finde ich es wichtig, auch einmal den anderen Pol zu betrachten: das Weinen.
Bedeutet Weinen Schwäche?
Oft wird Weinen als ein Zeichen der Schwäche interpretiert. Ich sehe das anders: Ich empfinde es als Stärke, wenn Menschen sich berührbar zeigen. Wenn sie “mitschwingen” können (was etwas anderes ist als mit-leiden). Dann sehe ich einen Menschen vor mir, der zu sich mit allen seinen Facetten steht. Das imponiert mir. Und ich empfinde es als erleichternd. Denn es erlaubt auch anderen Menschen, sich so zu zeigen. Ich weiß, Gefühle zu zeigen, ist nicht gerade “in”. Doch es stärkt die Verbundenheit. Das funktioniert mit Weinen, aber auch mit Lachen. Dass auch andere Emotionen verbindend wirken können, hast Du vielleicht auch schon erlebt. Oder Du nimmst es wahr, wenn Du die Nachrichten verfolgst. Die Frage ist: Für welche entscheidest Du Dich? Was tut Dir und der Welt wirklich gut?
Weinen = Trauer: Stimmt das?
Als ich vor etlichen Jahren in einer schweren Depression steckte und regelmäßig zu meiner Psychotherapeutin ging, kam es ab und zu vor, dass Tränen flossen. Sie fragte dann immer: “Was macht Sie jetzt so traurig?” Ganz oft wusste ich keine Antwort auf diese Frage. Es hat Jahre gedauert, bis mir bewusst wurde, dass es an der Frage lag. Denn Weinen muss nicht zwangsläufig mit Trauer gleichgesetzt werden. Wenn Tränen über das Gesicht laufen, kann das ganz unterschiedliche Gründe haben:
- Schmerzen
- Trauer
- Freude
- Körperreaktion
- Lachen
- Gewohnheit
- Rührung
- Spannungsabbau
Warum weinen wir?
Es gibt also verschiedene Anlässe zum Weinen. Körperliche Schmerzen, weil ich mich verletzt habe, ebenso wie seelische Schmerzen. Die Trauer über einen Verlust oder weil etwas zuende geht. Freudentränen sind ebenso möglich wie simple Körperreaktionen: Wenn ich Zwiebeln schneide oder im scharfen Wind stehe, treibt es mir einfach die Tränen in die Augen. Völlig ohne emotionalen Zusammenhang.
Andererseits kann mich etwas so sehr berühren, dass ich vor Rührung in Tränen ausbreche. Weinen kann auch dem Stress- und Spannungsabbau dienen: Vor Erleichterung oder nach einem großen Schreck können Tränen sehr hilfreich dabei sein, Druck abzulassen. Und vielleicht hast Du ja auch schon so sehr gelacht, dass Dir die Lachtränen übers Gesicht liefen. Dr. Madan Kataria, der Erfinder des Lachyoga, sagt: “Jede Träne, die Du gelacht hast, brauchst Du nicht mehr zu weinen.”
Vielleicht hast Du Dich gefragt, was mit dem Stichwort “Gewohnheit” gemeint sein mag. Tatsächlich kann es sein, dass Du das Weinen als “Dein Muster” entwickelt hast. Wenn Du bei verschiedenen Gelegenheiten gelernt hast, dass Weinen Dir hilft, hast Du diese Reaktion vielleicht als nützlich “abgespeichert”. Dann ist es möglich, dass Du die Tränen bei passender Gelegenheit einfach “abrufst”. Dies kann ganz bewusst geschehen oder “automatisch”, wenn bestimmte Auslöser im Außen auftreten und Dich “triggern”.
Welche Frage könnte hilfreich sein?
Ich will es nicht abstreiten: Oft weht ein Hauch Trauer mit hinein. Die Nuancen vermischen sich. Und doch ist es mir in meiner Arbeit wichtig, zu differenzieren. Sonst wühlst und stocherst Du womöglich im Gebiet der Trauer herum und fokussierst Dich immer mehr darauf. So ähnlich ging es mir mit der oben erwähnten Frage meiner Therapeutin. Vielleicht hast Du schon einmal Sätze wie: “Die Energie folgt der Aufmerksamkeit.” oder “Das, worauf Du Dich konzentrierst, verstärkst Du.” gehört oder gelesen. Darum möchte ich Dich nicht auf die Traurigkeit lenken, wenn sie vielleicht gar nicht da ist. Oder gerade nicht die wichtigste Stelle einnimmt. Meine Frage, die ich dann stelle, lautet:
Was bringt Dich jetzt zum Weinen?
Diese Frage möchte ich Dir mitgeben. Wenn Du weinst und Dich damit beschäftigen möchtest, dann frage Dich: “Was bringt mich jetzt zum Weinen?” Oft ist es ein ganzer Cocktail an Emotionen, der dabei mit hineinspielt. Allein, sich das bewusst zu machen, kann schon hilfreich sein. Einige Gedanken dazu hast Du ja jetzt schon gelesen.
Und natürlich kann es bei Dir alles ganz anders sein. Vielleicht weinst Du, weil Dir etwas bewusst wird. Eventuell spülen die Tränen etwas fort: einen Fremdkörper im Auge oder irgendein Gefühl. Dann sind es Tränen der Reinigung. Mir gefällt die Auffassung, dass es sich dabei einfach um Energie handelt, die abfließt. Und die gar nicht unbedingt benannt, geschweige denn bewertet werden muss. Womöglich ist das ja auch ein Gedanke, der Dich anspricht?
Auch in meiner Praxis kommt es gelegentlich vor, dass Tränen fließen. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Es gilt dann, nicht ins Drama einzusteigen. Einfach wahrzunehmen, was passiert, interessiert und offen zu beobachten. Die Vorstellung, dass sich gerade einfach “etwas Altes” löst, wird dabei meistens als sehr hilfreich empfunden. Oft ist es dann damit verknüpft, das Taschentuch mit den geweinten Tränen bewusst in diesem Raum zu lassen. Quasi als symbolischen Akt des Loslassens, der Befreiung von dem, was bisher unbewusst noch im Körper / im System gewirkt hat.
Was immer das Leben Dir bringt: Ich wünsche Dir einen hohen Anteil Lach- und Freudentränen. Falls Du Dich danach sehnst und nicht so recht weißt, wie Du das Lachen wieder mehr in Dein Leben holen kannst, schau doch mal, ob bei den Lachyoga-Angeboten etwas für Dich dabei ist.